Individualpsychologie

 

ist eine von Alfred Adler 1910, nach der Trennung von Freud, entwickelte tiefenpsychologische Theorie. Die Bezeichnung Individualpsychologie sollte keine Trennung zur Sozialpsychologie darstellen, sondern sich von Freuds Psychoanalyse distanzieren und das Unteilbare einer Person und damit den Gegenpol zu einer kausalreduktiven Seelenlehre hervorheben.

Menschliches Handeln begründete Adler als zielgerichtet. Dort, wo Freud versucht das „Warum“ zu ergünden, fragt Adler nach dem „Wozu“. Gegenüber einer hinter dem Rücken wirksamen und determinierenden Tendenz, die zur neurotischen Wiederkehr des immer Gleichen zwingt und den Menschen als abhängig von seiner Geschichte, seinen Trieben, unbewußten konflikthaften und traumatischen Erfahrungen betrachtet, legte Adler Wert auf die Frage, was der Mensch aus seinen Erfahrungen macht.

Herausragende Begriffe der Adlerschen Theorie sind Minderwertigkeitsgefühl und Überlegenheitsstreben. Minderwertigkeit, die nicht nur aus Organminderwertigkeiten, sondern auch aus zu karger, aber auch verwöhnender Erziehung entsteht, führt zu einer Übersteigerung des Selbstbehauptungsstrebens, das Adler zusammen mit dem Geltungsstreben als treibende Kräfte der menschlichen Entwicklung ansah. Lebensneid, Unterschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und Überschätzung der Überlegenheit anderer sowie ein überhöhtes Leistungs- und Machtstreben sind u.a. charakterliche Folgeerscheinungen.
Viele Bestandteile der individualpsychologischen Theorie gehören mittlerweile zum psychologischen Selbstverständnis. Ihre Abhebung vom Sinnlichen und Triebhaften und das Hervorheben der Fähigkeit zum freien Willen machten sie für Pädagogen annehmbarer als die Freudsche Psychoanalyse (z.B. Antoch, Dreikurs, Künkel). 

 

Literatur
Brunner, R. & Titze, M. (Hg.) (1995). Wörterbuch der Individualpsychologie (2., neubearb. Aufl.). München: Ernst Reinhard.
Spektrum, Lexikon der Psychologie